Pay as you wish gibt es in vielen Branchen. Von Stadtführungen bis hin zu Musikdownloads. Vor allem Restaurants und Cafes berichten immer wieder von überraschend positiven Bilanzen. Wo der Preis in den Hintergrund rückt, steht der Wert im Mittelpunkt. Wo das Vorgeschriebene wegfällt, fällt auch eine Barriere der Intransparenz von Preisen und dem Zustandekommen dieser.


Warum dies nicht als Pay if you wish in der Kunst weiterdenken? Die Singener Galerie Vayhinger und der Künstler Tim Beeby haben in Berlin ein Experiment gewagt, das nun auf Einladung der Galerie bechter kastowsky Fortsetzung in Wien findet.


Beeby verschenkt seine Werke. Aus ästhetischer Sicht sind sie vollständig, aus künstlerischer, kunsthistorischer und marktbewusster Sicht jedoch zu einem gewissen, nicht unwichtigen Aspekt unfertig. Besucher sind eingeladen, unsignierte, undatierte und titellose Werke einfach mitzunehmen – kostenlos. Alternativ können Interessenten die Arbeiten aber auch vom Künstler signieren lassen und sie dann zu den marktüblichen Konditionen (um etwa 1.400 Euro) erwerben.


"Gerade als Galeristen interessiert uns, wie die Wertigkeiten von Kunst wahrgenommen werden und wonach entschieden wird was man sich an die Wände hängt. Natürlich ist die Ästhetik und der Ausdruck derselbe, doch der Wert ist ein anderer", erklären die beiden Galeristen Eva-Maria Bechter und Robert Kastowsky.


"Fast jeder Künstler ist früher oder später mit dem Problem konfrontiert, dass Signatur, Datierung und das Vorkommen in einem Werkverzeichnis einen Wert bestimmen", so Robert Kastowsky. Das Problem der "Berechtigung" ist den zwei Galeristen bestens vertraut, sowohl aus Sicht der Künstler wie auch aus jener der Sammler, die in der Praxis nicht immer das erworben haben, was sie vermeintlich kauften. Fehlinformationen, Missverständnisse und unzureichende Angaben kursieren am Markt. So wollen Bechter und Kastowsky auch Aufmerksamkeit dafür stiften, was neben ästhetischem Ausdruck nachhaltig Werte bedingt. "In gewisser Weise soll das Projekt Seriosität – der Künstler, Sammler sowie Galeristen – unterstützen", erklärt Eva-Maria Bechter.


Werke unsigniert, unbetitelt und undatiert dem Markt zu übergeben ist eine radikale und unkonventionelle Geste. So heißt es in der Presseaussendung: "Kunsthistorisch betrachtet findet hier eine Inversion des Prozesses statt, den ein Readymade durchläuft: Während letzteres ein Alltagsobjekt ist, das die Signatur des Künstlers zu einem Kunstwerk erklärt, geht das unsignierte Kunstwerk wieder in die Alltagswelt über, um sich dort zwischen unzählige andere Dinge unseres täglichen Lebens einzureihen."


Die beiden Galerien – bechter kastowsky und Vayhinger – fungiert hierbei als Zwischenraum, als Brücke zwischen Kunstwelt und einer Welt "da draußen", wo die bemalten Leinwände ohne Signatur und Einordnung einfach nur das sind, was sie bereits ursprünglich waren – Leinen und Farbe. Mehr noch Werk-Stoff als schon Werk. Der Künstler mahnt mit dieser spannenden Auseinandersetzung zur Reflexion, indem er ökonomische Werte dem ästhetische Wert herausfordernd gegenüberstellt und auf die Mechanismen des Kunstmarktes hinweist. Beeby selbst kommentiert sein Experiment nicht, das überlässt er dem Publikum. Die Reaktionen in Berlin reichten von Amüsement über Scham bis hin zu Wut. Denn, das muss ja was kosten! – Aber, muss es?


Angeboten wird übrigens die seit 2012 fortlaufend entwickelte Serie "Inks". Eine reduzierte Gemäldereihe, die ursprünglich nicht im Kontext des Experiments entstand. Für die minimalistischen Arbeiten bringt Beeby schwarze Tinte mittels Airbrush auf vorgrundierte Leinwände. So entstehen getriebene Strahlen. Luftströme, die auf dem Grund erstarren und zu Indizien ehemals in Bewegung umgesetzter Kräfte werden.


Welchen Wert hat ein Werk, für das niemand bezahlt hat und das es in der Literatur nicht gibt? Auf den ersten Blick eine Charade mit noch ungewisser Pointe und ein selbstironisches Experiment. Auf den zweiten jedoch auch eine relevante forschende Auseinandersetzung mit angewandt kritischem Hintergrund.


Tim Beeby verschenkt Werke

Paula Watzl

1010 Wien  | Parnass 06.06.18